Magische Tassilolinde
Letzte Woche habe ich für neue Videos neue Ideen gesammelt und habe für die nächsten Feste von Lughnasad im August und Mabon im September recherchiert. Über einen Artikel zu einem der Standorte kam ich dann zufällig zur Tassilolinde. Ich war selbst noch nie dort und habe dann vorab noch ein wenig weiter gesucht.


Die Linde steht hinterhalb des Klosters an den Ursprüngen des Mühlbaches. Sie fällt nicht wirklich auf, nur die neuerdings aufgestellte Absperrung (die sichtbar weiterhin von allen ignoriert wird ;)) lässt sofort erahnen, dass es sich hier um einen besonderen Baum handelt. Links von ihr, vom oberen Zugang gesehen, wächst eine ähnlich große Linde, ich vermute sogar ein Nachkomme von ihr. Am unteren Ende der angelegten Treppe steht ein Infoschild, das über die Geschichte der Klostergründung und den Zusammenhängen mit dieser Linde berichtet.
Und hier beginnt das Rätsel um die Linde und vor allem ihr Alter. Ich habe bereits auf meinem Instagram ein Reel zur Tassilolinde und ihrem Alter veröffentlicht. In den Recherchen war nicht direkt klar, wie alt die Linde jetzt tatsächlich ist. Einige behaupten, dass auch Winterlinden, wie diese hier, maximal 1000 Jahre alt werden können. Schätzungen zufolge soll laut diesen Quellen (1) die Tassilolinde ein Alter zwischen 450 und 800 Jahren haben. Eine Überprüfung des tatsächlichen Alters ist auch schwer, da der ursprüngliche Stamm hier auch nicht mehr vorhanden ist und sich mittlerweile aus dem selben Wurzelstamm neue Verastungen ergeben haben. Die Tassilolinde hat also ein gewaltiges Wurzelwerk, um das sich wie ein Kreis fest aneinander mehrere Bäume reihen.
Ich persönlich hinterfrage die Aussage, dass die Linde nicht einmal 1000 Jahre alt sein kann aus drei Gründen:
1. Die Schätzung liegt sehr weit zwischen 450 und 800 Jahren. Woran wurde diese Schätzung fest gemacht? Hierzu konnte ich bisher nichts genaueres finden, bin aber auch nicht vom Fach der Agrar. Da muss ich bei Gelegenheit mal meine ehemaligen Studierenden fragen. Es gibt jedenfalls auch zusätzlich keinen Bezug zu beispielhaften Linden, die diese Einschätzung rechtfertigen.
Gemeint ist hier auch direkt mein 2. Punkt: Ab wann ist ein Baum kein Baum mehr? Ein Baum erwächst aus einem Samen, aus einem Wurzelwerk und verästelt sich über sein gesamtes Leben hinweg immer weiter. Teile sterben ab, Teile bleiben erhalten. Genau wie hier ist vielleicht der ursprüngliche Stamm nicht mehr vorhanden, aber immer noch das Wurzelwerk und ein gesunder Baum. Die Tassilolinde ist allein mit ihrem weiteren Stämmen gewaltig und muss in der Krone mit Drahtseilen gehalten werden. Stämme und Unterstützungen sind hier bei ihr aber wachstumsbedingt (noch) nicht nötig, was aber nach meiner Einschätzung an der besonderen Lage am Hang liegen wird. Sie hat sich hier gut entwickeln können, und braucht trotz der gewaltigen Stämme noch keine Unterstützung, wie z.B. die Linde in Schenklengsfeld.
Diese ist eine Sommerlinde und tatsächlich wurde ihre Pflanzung im Jahre 760 belegt. Damit ist diese Linde offiziell die älteste Linde Deutschlands mit mittlerweile 1263 Jahren. (Q2) Ein so hohes Alter erreicht nach Legende auch die Wolframslinde in Cham, die demnach auch mindestens 1000 Jahre alt sein und ebenfalls lange als älteste Linde in Deutschland galt. Was mich insgesamt zu Punkt 3 führt. Linden, die so ein hohes Alter nachweisen, können demnach auch für die Tassilolinde gelten, auch wenn diese eine Winterlinde ist. Letztlich bleibt alles aber Spekulation, denn leider gibt es keinen endgültigen Beleg, von wem und vor allem wann die Tassilolinde gepflanzt wurde.


Der Legende nach soll Tassilo um 753 mit einem gemeinsamen Jagdfreund das Gelände für das Kloster Wessobrunn entdeckt haben. Er soll davon geträumt haben, in manchen Erzählungen spielt hier die Linde schon eine Rolle: Er soll darunter geschlafen haben. In anderen Erzählungen hingegen wird das Kloster erst gegründet und dann die Linde gepflanzt. Hier habe ich auch gelesen, dass das Kloster schon 10 Jahre eher gegründet wurde und bereits zu Teilen vorhanden war, als Tassilo und Wezzo es fanden. Jedenfalls: weder für die Pflanzung noch für das tatsächliche Gründungsjahr des Klosters gibt es einen Beleg. Lediglich die 1000 Jahrfeier 1753 ist festgehalten und setzt damit auch für das Infoschild am Baum das Jahr auf 753 fest. Nimmt man also an, dass die Linde mit ihrem Namensgeber und der Geschichte eng in Zusammenhang steht und das Alter gut über 1000 Jahren liegt, kann man für diese Linde ein Alter von 1280 Jahren annehmen. Das macht sie also damit älter als die Linde in Schenklengsfeld und zum ältesten Baum Deutschlands. Auf ein ähnliches Ergebnis kam auch dieser Artikel vom Münchner Merkur (Q3). Dort sieht man auch nochmals sehr eindrucksvoll die Ausmaße der Linde, obwohl das Foto von 2006 ist. Ich habe es hier nochmals eingefügt, sollte der Artikel irgendwann nicht mehr abrufbar sein:

Egal auf welches Ergebnis man persönlich hierzu kommt: Es war für mich jedenfalls sehr beeindruckend darunter ein paar Bilder zu schießen und mir vorzustellen, dass diese Linde eventuell schon zu Wikingerzeiten hier stand. Ich habe dabei selbstverständlich mit diesem Hintergrund das Areal respektiert und bin nicht auf das Wurzelwerk gestiegen, wie es vor mir immer wieder Leute getan haben. Ich nehme stark an, dass deshalb seit Beginn des Jahres ein Seil um den Baum gespannt ist, das ich für ein paar Bilder und eine Berührung des Baumes ebenfalls überwunden habe. Bis auf eine Glasperle und einen Kristall, den ich in einer Lücke im Wurzelwerk versteckt habe, habe ich alles wieder mitgenommen und mich mit einem Ritual bedankt. Zum Ende hin musste ich mich auch damit beeilen, da es richtig anfing zu gewittern. Ich hatte wirklich kurz das Gefühl, dass die Götter mich erhören und wie zur Bestätigung, gab es auf dem Heimweg aus dem Gewitter heraus ein Abschiedsgeschenk:
