Von Baumwolle zu Seide Ein Rückblick 

22.11.2022

Ich würde euch zu Beginn gerne kurz mitnehmen und mit euch zusammen einen Rückblick wagen. Ich glaube, ich habe den klassischen Verlauf einer Reenacterin genommen und bewundere jede*n, der sich VORHER eingelesen hat und erst dann in die Gewandung investiert hat. Jetzt sehe ich mit einem lachenden (weil sehr witzig anzusehen) und einem weinenden (weil sehr viel Geld "verschleudert") Auge zurück auf meine ehemalige Ausstattung. Immerhin guter "Stoff", für einen Eintrag ;)

(c) Judith Roth
(c) Judith Roth

Hachja. Das waren noch Zeiten, damals in 2016.

Ich hatte mich ausschließlich von Pinterest inspirieren lassen, etwas zu viel Vikings geschaut und mich obendrein so gar nicht für historische Stoffe interessiert. Dennoch mag ich das Foto sehr und auch die Farbkombination könnte ich mir für eine - jetzt authentische Darstellung - durchaus mal wieder überlegen.

Jedenfalls hat so alles angefangen. Ein Kleid vom Burgschneider aus Baumwolle und ein handgenähtes Überkleid aus einem Jersey. Aber immerhin, das Überkleid ist vollständig per Hand genäht. Damals weniger aus gutem Wissen heraus, als mehr aus Ermangelung einer Nähmaschine (die zwischenzeitlich auch ihren Einsatz hatte...)


(c) odinsfrenyja
(c) odinsfrenyja

Wirklich verbessert hatte ich mich die nächsten Jahre nicht, wie ich zugeben muss. Zwischenzeitlich hatte ich aber auch eine Pause, da ich ab 2017 direkt wieder ohne Lagergruppe war und wegen Studium leider vermehrt der Fokus auf anderen Dingen liegen musste.

Das Foto hier ist von 2019 (!) vom Markt in Haar. Die Fibelkette war noch die selbe, aber auch meine weiterhin bestehende fröhliche Unbekümmertheit gegenüber historisch belegten Stoffen. Das Unterkleid ist aus reiner Baumwolle... Und wie kam ich auf die Idee, solche Lederarmbänder zu tragen?

Aber es zeigen sich hier erste Schritte hin zu einer etwas besseren Gewandung. Der Gürtel aus Leder ist bis heute noch in meinem Besitz, ich hatte mit der Borte meine ersten Webversuche erfolgreich umgesetzt und trage hier, wenn auch sehr billige, Lederschuhe nach Fund.


(c) Paul Heilmeier
(c) Paul Heilmeier

Auch von 2019 ist dieses hübsche Bild. Die Farbkombination liebe ich ja sehr und war sehr lange mein "Markenzeichen" auf Odinsfrenyja. Jetzt habe ich das erste Mal in echten Loden aus 100% Wolle investiert, das Innenfutter aus 100% Leinen genäht und auch alles 100% mit der Hand gefertigt. Die Stickerei ist dabei nicht authentisch, vor allem, da es sich hier wieder um Baumwolle handelt. Auch der restliche Schmuck ist weiter nicht belegt und vor allem - Wikinger hatten kein Fell auf den Schultern!

(Aber ich gebe es zu - es sieht halt auch einfach cool aus :D)


(c) Paul Heilmeier
(c) Paul Heilmeier

Es wird langsam besser! Ab Herbst 2019 fing ich langsam an, mich für eine authentische Darstellung zu interessieren - auch wenn ich hier noch sehr weit entfernt bin. Die Fibelkette hat sich mittlerweile vergrößert - es kamen viele verschiedene Schmuckstücke aus Funden dazu. Die Kettenverteiler durften von Schloss Ehrenberg mit und sind nach einem Fund aus Malmö gefertigt. Auch die Gürteltasche und das Messer sind im Prinzip nach Funden - wenn auch nicht vollständig richtig für eine bestimmte Zeit oder Region. Immerhin: das Unterkleid ist 100% Leinen und das Überkleid 99,9% Wolle (weil Besatz aus Baumwolle). Die Borte ist aus Merinowolle selbst gewebt und weist ebenfalls ein Fundmuster auf.

Insgesamt eine wahnsinnig tolle Farbkombination in tollem Hintergrund, aber weiterhin kunterbunt zusammen gewürfelt.


(c) odinsfrenyja
(c) odinsfrenyja

Dann kam der Cut.

Ich stand jetzt glücklicherweise unter dem Einfluss der Lagergruppe Hamarsheimt, die mir das erste Mal live richtiges Reenactment vorlebten. Im Sommer 2020, inmitten der ersten Corona-Welle, wollte ich einen Neustart wagen. Also reduzierte ich alles und "verprasste" mein letztes Geld im letzten Mastersemester für ein Paar Schuhe nach Birkafund von Andy.

Birka hatte mich zuvor einfach noch etwas mehr interessiert als Haithabu, weil hoch im Norden und einer der größeren Handelsplätze. So kam ich dann dazu, mich auf Birka 10. Jahrhundert festzulegen.


(c) René Farak
(c) René Farak

Sofern man sich die Borte weg denkt, denn die ist weiterhin absolut nicht authentisch, bin ich hier endlich gut dabei. Leider sieht man die tollen Schuhe nicht, aber das Leinenkleid ist zu 100% mit Leinengarn per Hand genäht, nach historischem Schnitt (soweit bekannt) und ist als Besonderheit obendrein per Hand gewebtes Bauernleinen von 1920.

Die Gürteltasche ist aus einem Birkagrab, auch ein kleines Messerchen mit Griff aus Esche habe ich jetzt immer dabei. Frauen haben meist keine Gürteltaschen getragen, es gibt aber ein Grab, bei dem die Frau eine solche hatte. Dennoch Grauzone, nach meiner Empfindung. Die Kette ist 1:1 der Fund aus BJ 1081.


(c) odinsfrenyja
(c) odinsfrenyja

Mit dieser Grundausstattung habe ich weiter gearbeitet. Die hier gezeigte Gewandung ist aus Winter 2020 und vollständig per Hand genäht. Dabei habe ich einen ungefärbten, gewebten Wollstoff zum Mantel vernäht, das Überkleid ist ein Diagonalloden ebenfalls aus Wolle. Hier hatte ich auch einen mit Krapp gefärbten Wollfaden verwendet. Das Überkleid selbst ist (noch) chemisch gefärbt.

Als Gürtel trage ich jetzt eine Borte, die mir jemand aus Norwegen gewebt hat. Schlüssel und Fibeln sind Birkafunden nachempfunden, die Glasperlenkette ist als einziges Überbleibsel als Erinnerung eines Marktbesuches zwar authentisch, aber nicht 100% nach Fund.

(c) odinsfrenyja
(c) odinsfrenyja

Es ist wirklich noch nicht alles perfekt und ich lerne immer noch dazu. Hier zum Beispiel, dass man bei Birka die Überkleider - auch Smokkr genannt - mit zwei Geren links und rechts genäht hat. Man lernt wirklich nie aus, kennt mehr und mehr Details.

Das nächste Projekt habe ich schon im Kopf, die Stoffe liegen bereits hier. Ich bin gespannt, wohin die Reise noch geht und was ich noch alles lernen und schaffen werde. Bis dahin,

liebe Grüße,

eure Frenyja